polnische Kunst.

polnische Kunst.
pọlnische Kunst.
 
Seit den Anfängen im 10. Jahrhundert stand die Kunst Polens unter wechselnden Einflüssen aus Mitteleuropa und Italien. Sie entwickelte erstmals im 14. Jahrhundert eigenständige Stilvarianten und nahm um 1800 betont nationalen Charakter an.
 
 
Die ersten mittelalterlichen Bauten sind Rundkapellen wie die der Heiligen Felix und Adaukt (Ende des 10. Jahrhunderts) auf dem Krakauer Burgberg. Von der romanischen Architektur, die in Polen die Zeit von 1050 bis 1250 beherrscht, sind die Andreaskapelle (Anfang des 12. Jahrhunderts) in Krakau sowie die Kollegiatskirchen in Opatów (11. Jahrhundert) und Tum bei Łęczyca (12. Jahrhundert) am besten erhalten. Die Plastik der Zeit wird v. a. durch die von einem Vorgängerbau stammende Bronzetür des Gnesener Doms (um 1170) und die Reliefsäulen der Dreifaltigkeitskirche in Strzelno (12. Jahrhundert) repräsentiert. Mit der Gotik, die im 13. Jahrhundert von den Mönchsorden ins Land gebracht wurde und die v. a. zahlreiche Zisterzienserbauten prägte, bildeten sich spezifische polnische Bautypen heraus, wie der Dom in Krakau (1320-64) und eine Reihe zweischiffiger Kirchen nach dem Vorbild der Kollegiatskirche in Wiślica (nach 1350-88). Vom 14. bis ins 18. Jahrhundert reicht die Tradition der hölzernen Kirchen in der Tatra und den Karpaten. Seit etwa der Mitte des 14. Jahrhunderts entstanden Backsteinbauten unter deutschem Einfluss (Dom in Gnesen, 1342-1415); außer der Architektur im Gebiet des Deutschen Ordens zählen dazu auch die Burg Niedzica in der Hohen Tatra (14.-15. Jahrhundert) und die Jagiellonische Bibliothek in Krakau (Teil des Collegium Maius, um 1500). In der gotischen Malerei rivalisierten westliche, v. a. böhmische Einflüsse mit solchen östlich-byzantinischer Prägung. Die Plastik, zunächst fast ausschließlich durch die Königsgräber im Krakauer Dom (14. und 15. Jahrhundert) vertreten, wurde von V. Stoss (1477-96 in Krakau) auf einen Höhepunkt geführt. Hauptwerk ist der Marienaltar (1477-89), den er für die Marienkirche schnitzte; von ihm stammt auch das Grabmal König Kasimirs IV. (1492) im Dom. Nach Stoss waren noch mehrere Nürnberger Künstler in Krakau tätig, unter ihnen H. von Kulmbach und H. Dürer. Parallel dazu bildete sich die »Krakauer Schule«, die westlichen Einflüsse mit der lokalen Tradition vermischte (Marientodaltar, Triptychon in der ehemaligen Kollegiatskirche von Bodzentyn, 1508).
 
 
Sie fand unter Sigismund I. (Ȋ in 2. Ehe mit der aus Mailand gebürtigen Bona Sforza, * 1494, ✝ 1557) Eingang in Polen (»Goldenes Zeitalter«). Er berief italienische Baumeister nach Polen, die die königliche Residenz auf dem Burgberg in Krakau (1502-36) und die Sigismundkapelle am Dom (1517-33) errichteten. Ihr Stil wurde in die profane Feudalarchitektur übernommen: Schlösser in Baranów Sandomierski (1579-1605) und Krasíczyn (1580-1614). Reiche Bürger adaptierten die Renaissance überwiegend als ein dem Bau vorgeblendetes Dekorationssystem (»polnische Attika«). Italienische Maler kamen erst am Ende des 16. Jahrhunderts nach Polen. In der Spätrenaissance wurden auch die nördlichen und östlichen Gebiete Polens stärker in die Kunstentwicklung einbezogen. Es entstand ein nationaler Sonderstil (z. B. die Stadt Zamość, 1580 gegründet). Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts hielt sich, v. a. in der Porträtmalerei, eine teils konservative, teils orientalisierende Tendenz, die mit naiver Prachtentfaltung dem Geschmack ihrer adeligen Auftraggeber entgegenkam (»sarmatischer Stil«).
 
Barock und Klassizismus:
 
Die Barockarchitektur wurde als »Jesuitenbarock« zunächst vom Vorbild Il Gesù in Rom geprägt, v. a. die Jesuitenkirche Sankt Peter und Paul in Krakau (1596-1619). In der neuen Hauptstadt Warschau wirkte der Niederländer Tylman van Gameren (* um 1632, ✝ 1706), der u. a. das Palais Krasiński mit Garten (1677-vor 1699) und einige Kirchen erbaute, z. B. die Kapuzinerkirche (1683-92); von ihm stammt auch der Entwurf für die Kollegiatskirche Sankt Anna in Krakau (1689-1703). Van Gameren vertrat die strengere norddeutsche Richtung des Barock. Mehrfach arbeitete er mit A. Schlüter zusammen. Zum Zentrum des künstlerischen Lebens wurde der von Augustin Vincenti Locci (* um 1650, ✝ um 1730) 1677-96 zum Schloss umgebaute Landsitz Wilanów bei Warschau. Im 18. Jahrhundert sammelte sich um den Hof in Warschau ein kosmopolitischer Künstlerkreis (u. a. B. Bellotto, J.-P. Norblin de la Gourdaine). Neben italienische wurden zunehmend auch französische Einflüsse wirksam. Das Jahrhundert endete, etwa mit den Bauten Domenico Merlinis (* 1731, ✝ 1797), in einer Synthese von Barock und Klassizismus (»Stanislaus-August-Klassizismus«).
 
19. und 20. Jahrhundert:
 
Im 19. Jahrhundert knüpfte der Historismus in der Architektur (»Großes Theater« in Warschau) bevorzugt an klassizistische Vorbilder an. In der Malerei zeichnete sich stärker als in der Architektur eine nationale Entwicklung ab. Hauptmeister der Romantik war P. Michałowski; J. Matejko hatte mit seinen monumentalen Historienbildern große Bedeutung für das polnische Geschichtsbewusstsein. J. Kossak, J. Chełmoński, A. und M. Gierymski stellten Landschaft und Volksleben Polens dar. H. Rodakowski gehörte zu den besten Porträtisten seiner Zeit. Für den Impressionismus nach französischem Vorbild traten W. Podkowiński und J. Fałat ein. Daneben entfaltete sich eine reiche Volkskunst, die bis ins 20. Jahrhundert (Nikifor) lebendig blieb. Um die Jahrhundertwende wurden symbolistische und dekorative Tendenzen im Sinne des Jugendstils wirksam (Bewegung »Junges Polen«: J. Malczewski, J. Mehoffer, S. Wyspiański). Sie bildeten auch den Ausgangspunkt für X. Dunikowski, den bedeutendsten polnischen Bildhauer der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts, und S. I. Witkiewicz, in dessen Malerei dann auch Elemente des Expressionismus und des Surrealismus einflossen. Die polnische Avantgarde, als deren Bahnbrecher T. Czyżewski hervortrat, organisierte sich in den 1920er-Jahren unter der Führung von W. Strzemiński in den Gruppen »Blok« und »a. r.«. Sie öffnete sich insbesondere dem (russischen) Konstruktivismus (Katarzyna Kobro; H. Berlewi; Henryk Stażewski, * 1894, ✝ 1988). Das Werk von L. Marcoussis entwickelte sich im Bannkreis des Kubismus. Seit 1918 entstanden monumentale neoklassizistische Repräsentationsbauten wie das Nationalmuseum in Krakau. Stilrichtungen der modernen Architektur kamen vornehmlich bei Privatbauten zur Anwendung. Nach 1945 stellte der Wiederaufbau der zerstörten Städte eine Hauptaufgabe dar (v. a. intensiver Wohnungs- und Industriebau). Während sich die polnische Architektur zunächst an der der UdSSR orientierte, bei gleichzeitiger Besinnung auf nationalen Formen, begann sich seit etwa Mitte der 50er-Jahre das moderne industrielle Bauen durchzusetzen. Beispielhaft gelang die Rekonstruktion historischer Gebäude und ganzer Stadtzentren (z. B. in Breslau, Danzig, Krakau, Warschau). In der modernen Architektur der 90er-Jahre zeigt sich zum Teil eine Rückbesinnung auf expressive, sachliche Stilelemente der Architektur der 20er-Jahre (z. B. Orientierung an B. Taut).
 
Die Malerei und Plastik nach 1945 zeigte sich offen gegenüber neuen westlichen Strömungen (T. Kantor; T. Brzozowski; W. Hasior; Magdalena Abakanowicz; R. Opałka; Zdzisław Jurkiewicz, * 1931; Zbigniew Gostomski, * 1932). In Gemälden, Skulpturen und Installationsarbeiten setzen sich Künstler wie Mirosław Bałka (* 1958), Lukas Korokiewicz (* 1948), Jarosław Modzelewski (* 1955), Edward Dwumik (* 1943) und Anna Beller (* 1960) mit der Realität angesichts sozialer Desorientierung auseinander. Auf einer eher symbolischen Ebene arbeiten Künstler wie Tomasz Ciecierski (* 1945), Andrzej Szewczyk (* 1950), Hanna Luczak (* 1959), Piotr Kurka (* 1958) und Kolo Klipsa (* 1960). Die konstruktivistische Tradition, die in Polen Ende der 1960er- und in den 70er-Jahren in Form von serieller Kunst verstärkt in Erscheinung trat (u. a. H. Stażewski), ist noch immer sehr lebendig und wird von Künstlern wie Leon Tarasewicz (* 1957), Marek Chlanda (* 1954) und Zuzanna Baranowska (* 1961) fortgeführt. Die polnische Grafik erlangte internationales Ansehen, v. a. mit Plakaten (R. Cieślewicz; J. Lenica; Franciszek Starowieyski, * 1930; Waldemar Świerzy, * 1931; Henryk Tomaszewski, * 1940; Tadeusz Trepkowski, * 1914; Maciej Urbaniec, * 1925).
 
 
Poln. Malerei von 1830 bis 1914, hg. v. J. C. Jensen (1978);
 
Das poln. Plakat von 1892 bis heute, hg. v. A. Rutkiewicz, Ausst.-Kat. (1980);
 
Kunstdenkmäler in Polen, hg. v. R. Hootz, auf 3 Bde. ber. (1984 ff.);
 
Polish realities. New art from Poland, hg. v. C. Carrell u. a., Ausst.-Kat. (Glasgow 1988);
 J. K. Ostrowski: Die poln. Malerei. Vom Ende des 18. Jh. bis zum Beginn der Moderne (1989);
 
Junges Polen. Poln. Kunst um 1900., bearb. v. C. Sternberg u. C. Zangs, Ausst.-Kat. Städt. Museum Schloss Rheydt, Mönchengladbach (1991);
 
Baustelle Polen. Aktuelle Tendenzen poln. Architektur, hg. v. M. Kraus u. a., Ausst.-Kat. Akademie der Künste, Berlin (1994);
 
Kunst in Polen - Poln. Kunst 966-1990. Eine Einf., bearb. v. S. Muthesius: (1994);
 
Widerstand u. Aufbruch, hg. v. M. Kramer u. F.-W. Schmidt, Ausst.-Kat. Arbeitsstelle für Erwachsenenbildung der Diözese Rottenburg-Stuttgart (1994);
 
Zeitgenöss. p. K., hg. v. S. Berg, Ausst.-Kat. Kunstverein Freiburg (1994);
 
Mittelalterl. Backsteinarchitektur von Lübeck bis Marienburg, bearb. v. W. Schäfke (1995).

Universal-Lexikon. 2012.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Kompetenzzentrum für junge polnische Kunst — Das Kompetenzzentrum für junge polnische Kunst (Center for young polish art) mit Sitz in Frankfurt am Main wurde von der Kuratorin Ewa Nowik gegründet. Die Non Profit Einrichtung wurde am 3. Oktober 2006 ins Leben gerufen. Ihr Ziel ist die… …   Deutsch Wikipedia

  • Polnische Geschichte — Die Schwerpunkte folgender Abhandlung sind die politische Geschichte Polens sowie eine kurze Darstellung von Fakten und Daten. Zur Vertiefung der einzelnen Themenbereichen wird auf die jeweiligen Artikel verwiesen. Inhaltsverzeichnis 1 Überblick… …   Deutsch Wikipedia

  • Polnische Literatur — Polnische Literatur. Die p. L. ist unter den slawischen Literaturen die reichhaltigste und schließt sich der westeuropäischen Kulturentwickelung ununterbrochen an, ohne ihre nationale Eigentümlichkeit einzubüßen. Diese besteht in einer scharf… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Polnische Kultur im Zweiten Weltkrieg — Die Polnische Kultur im Zweiten Weltkrieg wurde von den beiden Besatzungsmächten Polens, dem Dritten Reich und der Sowjetunion, die beide der polnischen Bevölkerung und Kultur feindlich gesinnt waren, brutal[1] unterdrückt.[2][3] Durch eine… …   Deutsch Wikipedia

  • Polnische Schule der Plakatkunst — Die Polnische Schule der Plakatkunst (polska szkoła plakatu) ist eine Bezeichnung einer Gruppe polnischer Plakatkünstler, die sich in den 1950er und 1960er Jahren eines guten internationalen Rufes erfreuten. Im Jahre 1948 wurde der Grafiker und… …   Deutsch Wikipedia

  • Naive Kunst — Maler von Pernambuco naive Wandmalere …   Deutsch Wikipedia

  • Wilhelm Kunst (Holzbildhauer) — Wilhelm Kunst bei der Arbeit an einer Madonna Wilhelm Kunst (* 8. August 1909 in Zetel, Oldenburg; † 13. Januar 1986 ebenda) war ein deutscher Holzbildhauer. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Junges Polen (Kunst) — Junges Polen (poln. Młoda Polska) ist die Bezeichnung für eine Richtung des Modernismus in der polnischen Literatur, Musik und Kunst. Das Junge Polen existierte als Gruppe von Künstlern in den Jahren 1890 bis 1918. In dieser Phase entwickelten… …   Deutsch Wikipedia

  • Dritte Republik Polen — Die Schwerpunkte folgender Abhandlung sind die politische Geschichte Polens sowie eine kurze Darstellung von Fakten und Daten. Zur Vertiefung der einzelnen Themenbereichen wird auf die jeweiligen Artikel verwiesen. Inhaltsverzeichnis 1 Überblick… …   Deutsch Wikipedia

  • Geschichte Polens — Wappen Polens Die – ungeschriebene – Vorgeschichte Polens brachte eine Ansammlung slawischer Stämme, Burgen, Siedlungen und Grabstellen hervor. Eine ethnische Zuordnung ist unsicher.[1] Die heutige Unwissenheit über Polens Ursprünge ist Folge der …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”